Banderilleros haben die Aufgabe, kleine Fähnchen mit Widerhaken in den Nacken eines muskulösen Stieres mit sehr langen Hörnern zu platzieren. Nach Erledigung müssen sie schleunigst die Kampfbahn verlassen, da sie andernfalls die ganze Wut des gereizten Tieres zu spüren bekämen.
Solche Szenen spielen sich gewöhnlich in spanischen Arenen ab - manchmal aber auch in deutschen Büros: Die Banderilleros heißen dann Sekretärinnen, die Fähnchen sind Wiedervorlagen oder Beschwerdebriefe, und die Rolle des Langhorns spielt der Chef. Dessen Ausbrüche würden einen zahlenden Zuschauer erfreuen. Für Betroffene sind sie weniger angenehm.
Choleriker verbreiten schlechte Laune und ein Klima der Furcht. Widerworte sind sie nicht gewohnt. Widerworte sind auch gar nicht nötig. Es gibt bessere Methoden, die Luft reinzuhalten, wenn mal wieder Ausbruchstimmung ist.
Was lange währt, wird endlich Wut: Dieses Gesetz der Humanvulkanologie muss in Ihrem Büro keine Gültigkeit haben. Anders ausgedrückt: Sie müssen sich die Ausbrüche Ihres Chefs keineswegs gefallen lassen. Um das Eingangsbild noch einmal zu bemühen: Sie benötigen in solchen Fällen eine Strategie, die Ihren aufbrausenden Chef bremst. Dabei brauchen Sie gar nicht mal in ähnlich brachialer Weise zu reagieren. Im Gegenteil: Ihre Überlegenheit beweisen Sie durch ein Vorgehen, das an die filigrane Eleganz eines Banderillero erinnert.
Sie sehen, der Umgang mit einem Choleriker gleicht der Reaktion auf einen Vulkanausbruch: Es geht in erster Linie darum, Zeit zu gewinnen. Die füllen Sie mit Warten aus – in der Hoffnung, dass alles, was Ihr feuriger Chef ausspuckt, rasch erkaltet.
Fehler dürfen Sie in dieser Zeit allerdings keine machen! Solche wären:
Zorn und Affekt
Der Wiener Psychiater Alfred Adler schrieb in seinem 1927 erschienenen Klassiker Menschenkenntnis über den Zorn als Charaktermerkmal:
Ein Affekt, der das Machtstreben, die Herrschsucht eines Menschen geradezu versinnbildlicht, ist der Zorn. Diese Ausdrucksform verrät deutlich den Zweck, jeden Widerstand, der dem Zornigen entgegentritt, rasch und mit Gewalt niederzuwerfen. Auf Grund unseres bisherigen Wissens erkennen wir in dem Zornigen einen Menschen, der mit erhöhter Kraftentfaltung nach der Überlegenheit strebt. Das Geltungsstreben artet zuweilen in einen derartigen Machtrausch aus, dass es leicht erklärlich ist, wenn Menschen dieser Art auf die kleinste Beeinträchtigung ihres Machtgefühls mit einem Zornausbruch antworten. Sie tragen die Empfindung in sich, dass sie auf diese, vielleicht schon oft erprobte Weise am leichtesten über einen anderen Herr werden und ihren Willen durchsetzen können.
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Neben der Strategie – austoben lassen, gelassen bleiben – benötigen Sie jetzt noch eine Taktik für den Moment, wenn es mal wieder so weit ist. Bei einem cholerischen Ausbruch Ihres Chefs - schweigen Sie zunächst.
Was sagt uns ein japanisches Sprichwort?
Wer lächelt, statt zu toben, ist immer der Stärkere.